Samstag, 28.5. :

die Gregorkirche, die wir besuchten Es ist armenischer Nationalfeiertag, Davon bekommen wir allerdings wenig mit, außer, dass es abends extra lange Strom gibt. Zum Frühstück gibt es eine Art Kartoffelpfannekuchen, außerdem Brot, Wurst, Käse, Marmelade, sogar Butter, die in Armenien besonders knapp ist.Wir machen mit Armen, seiner Mutter und einigen Freunden einen Ausflug. Mit dabei sind unter anderem Vera, schätzungsweise 25 Jahre alt, Leiterin der Konsularabteilung der deutschen Botschaft, und Erika, ca. 50 Jahre, die mit der Gründung und dem Aufbau von Waldorfschulen in aller Welt zu tun hat. Wir fahren durch die Araratebene bis kurz vor die türkische Grenze, ca. 50 km, und besichtigen eine auf einem Hügel gelegene Kirche, die Gregorkirche.

Unter der Kirche befindet sich eine Höhle, in der Gregor der Erleuchter, die wichtigste Figur der armenischen Kirchengeschichte, vor Gründung der Staatskirche 15 Jahre lang eingemauert gewesen sein soll. Auch diese Höhle haben wir besichtigt. Man steigt eine etwa 8 Meter lange Leiter in einen völlig unbeleuchteten Raum hinab. Von oben hat man einen hervorragenden Blick auf den Ararat, auf das ansteigende Gelände davor und auf die Befestigungsanlagen an der türkischen Grenze. Es ist fast wolkenlos und sehr heiß. Armen zeigt uns, an welcher Seite Noah den Berg verlassen haben soll. Danach ist die armenische Provinz Nachitschevan (= Wiederkommen) benannt. Nachitschevan gehört heute zu Aserbaidschan. Wir trinken eine lauwarme Cola, wie sie an mehreren kleinen Verkaufsständen angeboten wird, für einen Dollar.

Nicht weit von hier liegt auch die Stadt Ararat. Der "Verein armenischer Mediziner in Deutschland e.V." unterstützt das dortige Krankenhaus. Weil kein Benzingeld für den Krankenwagen da ist, wurde vor kurzem eine Pferdekutsche angeschafft.

Auf dem Rückweg besuchen wir in dem kleinen Ort Dimitrov Christian Rex, Biobauer aus Salem am Bodensee, der sich vor drei Jahren in Armenien niedergelassen hat. Die armenische Landwirtschaft hat mit großen Problemen zu kämpfen, Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde das Land in kleine Flächen aufgeteilt, ein halber bis ein Hektar pro Familie. Deshalb muss die Landwirtschaft sehr intensiv betrieben werden, und entsprechend wird Chemie eingesetzt, außer bei Christian natürlich.

Neben der Umstellung von der Planwirtschaft auf die Privatwirtschaft ist die Wasserknappheit ein weiteres Problem der armenischen Landwirtschaft. Fast alles muss bewässert werden, und dazu müssen auch unterirdische Quellen angezapft werden. Der Wasserspiegel des Sevan-Sees, des größten Hochgebirgssees der Welt, ist in den letzten Jahren beträchtlich gesunken, weil zu viel Wasser entnommen wurde. Angebaut wird in Armenien alles mögliche. Der Schwerpunkt liegt auf Gemüse, das mehrmals im Jahr geerntet werden kann. Es gibt auch viel Obst und Wein. Wir bekommen frische Erdbeeren angeboten, und Maulbeeren, grünlichweiße, himbeerähnliche Früchte, die man nur sehr vorsichtig genießen sollte, vor allem nicht zusammen mit Getränken, wie man mir geraten hat, als es schon zu spät war.  Am nächsten Tag hatte ich starken Durchfall.
Milch ist totale Mangelware in Armenien. Die meisten Landwirte halten eine Kuh für den Eigenbedarf, die staatlichen Milchwerke sitzen praktisch auf dem Trockenen. Ein Liter Milch kostet etwa einen Dollar.
Verkauft wurde alles, was nicht niet-und nagelfest war. Hier ein Einmannmarktstand mit Sonnenschirm. Es wird Brot verkauft.

Am Abend sitzen Andreas und ich mit Raffi und seiner Familie zusammen. Raffi erklärt einiges zur Wirtschaftlichen Situation:
Noch vor einigen Jahren waren Armenien und Georgien die reichsten Republiken in der Sowjetunion. Die Löhne lagen bei umgerechnet etwa 200 Dollar, und die Preise waren sehr niedrig, insbesondere auch die Energie: Hundert Liter Benzin für einen Dollar. Raffi erzählt, dass er damals nach Russland, Amerika und Japan gereist ist. Seit dem Erdbeben, vor allem aber seit der Wirtschaftsblockade durch die Türkei und Aserbaidschan, ging es bergab. Die Löhne sind inzwischen so niedrig, dass man nicht mehr davon leben kann. Die niedrigsten Löhne liegen bei etwa 200 Dram, das entspricht einem halben US-Dollar. Die armenische Geldeinheit Dram ist im letzten Winter anstelle des alten russischen Rubel eingeführt worden. Ein Arzt verdient in Armenien 1000 Dram, Raffi als Chefarzt 2000 Dram. Der Präsident, Levon ter Petrosjan verdient 4000 Dram, das sind 10 Dollar. Der US-Dollar ist in Armenien zu einer zweiten Währung geworden. Es kann jedoch überall getauscht werden. Der Kurs von 4000  Dram = 1 Dollar ist von der Regierung jetzt festgeschrieben worden. Brot wird vom Staat subventioniert. Man bekommt es auf Karten, 250 Gramm am Tag. Ein Brot kostet vier Dram.

Einige Preise:

Eine Schachtel Streichhölzer
Ein Kilogramm Schinken
Ein Liter Benzin  
Eine Schachtel Zigaretten
Eine Flasche Wodka 
Ein Flug nach Moskau



10 Dram
1000 Dram
200 Dram
160 Dram
zwischen 500 und 5000 Dram, je nach Qualität
70 Dollar

Überfüllte Busse in Eriwan. Man findet kaum noch einen Stehplatz. Anfang Mai wurden die Preise im öffentlichen Nahverkehr auf das Achtfache erhöht, sind aber nach wie vor relativ günstig: Ein Ticket für vier Dram. Viele benutzen die völlig überfüllten Busse, Oberleitungsbusse und Straßenbahnen aber ohne Fahrkarte. Seit kurzem gibt es zusätzlich private Anbieter im Nahverkehr, die aber sehr teuer sind. Im Winter war der öffentliche Nahverkehr fast völlig zum Erliegen gekommen. Die Mieten sind sehr billig, unter 10 Dram, werden aber von den meisten nicht bezahlt. Ebenso die Telefongebühren.

Ausländer zahlen hohe Mieten: zum Beispiel Vera: 700 Dollar für 65 Quadratmeter.
Man muss sich fragen, wovon die Armenier leben, zumal die Arbeitslosigkeit zwischen 60 und 80 Prozent schwankt und eine Unterstützung nicht gezahlt wird. Es gibt zwei Wege, in Armenien zurechtzukommen, Der erste ist der, dass viele Armenier Unterstützung aus dem Ausland bekommen. Fast die Hälfte der etwa sechs Millionen Armenier lebt nicht in Armenien. Viele unterstützen Verwandte oder Freunde.
Die zweite Möglichkeit ist, Geschäfte zu machen, Raffi betreibt nebenberuflich ein Lebensmittelgeschäft und verdient damit etwa 200 Dollar im Monat. (Damit klärte sich für uns eine wichtige und auch etwas unangenehme Frage).  Eine Minderheit, etwa ein Prozent der Bevölkerung, betreibt erfolgreich Handel, und einige werden damit reich. Es fällt auf, dass man in Eriwan mehr neue Autos sieht als im letzten Herbst. Es existiert eine kleine Gruppe von Neureichen, die von der Situation profitiert. Die Masse der Bevölkerung lebt dagegen sehr arm, viele verkaufen Möbel, Bücher und Porzellan. 95 Prozent der Bevölkerung sind nicht in der Lage, sich neue Kleidung zu kaufen, schätzt Raffi.
Das einzig wesentliche, was Armenien zur Zeit exportiert, ist Kognak. Importe kommen überwiegend aus dem Iran, wenn nicht per Flugzeug. Über den Grenzfluss an der wenige Kilometer langen Grenze zum Iran ist vor kurzem eine Brücke gebaut worden.
Während des ganzen Gesprächs läuft der Fernseher. Zuerst der große, nachdem der Strom weg ist der kleine, per Autobatterie. Kleine Fernsehgeräte sind in Armenien inzwischen genauso teuer wie große.

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Bilder dieser Seite:

1.  die Gregorkirche
2.  einfacher Marktstand in Erivan
3.  überfüllte öffentliche Verkehrsmittel